Bischof Frank: «Wir haben einfach einen internen Familienkonflikt»
Frank Bangerter ist seit fünf Wochen als Bischof im Amt, als unser Gespräch stattfindet. Er wurde am 24. Mai in Olten von der Nationalsynode der christkatholischen Kirche der Schweiz als einer von drei Kandidaten im sechsten Wahlgang zum neuen und achten Bischof der Christkatholiken gewählt und am 14. September in der Kirche St. Peter und Paul in Bern zum Bischof geweiht. Er erhielt die vier bischöflichen Insignien: Siegelring, Brustkreuz, Mitra und Stab.
Gut einen Monat später stehe ich vor der Tür des Bischofssitzes in Bern. Der Bischof selbst öffnet und empfängt den Gast. Einfach und unkompliziert. Der Bischofssitz befindet sich im Erdgeschoss einer stattlichen Patriziervilla im Berner Botschaftsviertel. Der Rundgang ist schnell gemacht. «Dort ist mein Büro, hier das Sitzungszimmer und da», er deutet auf die Tür eines verschlossenen Raumes, «das Sekretariat.» Von geschätzten 50 bis 60 Quadratmetern aus wird also eine Schweizer Landeskirche geleitet. Sie ist klein, aber nicht unbedeutend: 28 Kirchgemeinden mit 12 137 Mitgliedern. Oberste Instanz ist die Nationalsynode, die zu 70 Prozent aus Laien und zu 30 Prozent aus Geistlichen besteht. Damit ist auch das Kräfteverhältnis in Entscheidungsfragen klar.
In zweiter Berufung
Nicht jeden Tag sitzt man einem Bischof gegenüber. Unwillkürlich suchen meine Augen die vier bischöflichen Insignien. Ich sehe den modernen Siegelring am Finger und erahne das Brustkreuz, das an einer Kette in der Brusttasche seines Hemdes steckt. An der Garderobe entdecke ich das Bischofsgewand, die Mitra (Kopfbedeckung) und den Stab. Alles ist da. Und wie stellt man sich einen Bischof vor? Ja, wie denn? Ganz normal. Frank Bangerter ist 61 Jahre alt und ist erst in zweiter Berufung in den kirchlichen Dienst getreten. Er ist in Lyss aufgewachsen, hat dort die Schulen und später das Gymnasium in Biel besucht. Ursprünglich habe er Medizin studieren wollen, erzählt Bangerter. Schliesslich entschied er sich für ein Wirtschaftsstudium. Gut zehn Jahre arbeitete er im Personalwesen, dann bekam er ein Jobangebot als Leiter Finanz- und Rechnungswesen bei einem Versicherungsbroker. Nach neun Monaten habe er gemerkt, dass sein Leben eine andere Richtung nehmen müsse.
Wie er nach Grenchen kam
Das sagt mir mein sympathischer Gesprächspartner, nachdem wir uns eine gefühlte halbe Stunde über Gott und die Welt unterhalten haben. Die Redewendung ist in diesem Fall vielleicht nicht ganz zutreffend. Über Gott haben wir auch geredet, nur anders, als es die Redewendung meint. Was mich natürlich besonders und in erster Linie interessiert: Wie kam der christkatholische Pfarrer und Bischof nach Grenchen, wo er seit gut sechs Jahren seinen Wohnsitz hat? Bis zu seiner Bischofswahl arbeitete er als Pfarrer in Zürich, wo er mit seinem Partner lebte. Mit Blick «aufs Alter» hätten sie etwas Eigenes gesucht – am Jurasüdfuss, ihrer näheren Heimat. «Es hätte auch Biel oder Solothurn sein können – oder eine Gemeinde dazwischen», erzählt Frank Bangerter. In Grenchen wurden sie fündig. Zuerst war es mehr ein Wochenendhaus, «und jetzt ist es unser ständiger Wohnsitz», schmunzelt er. Und es ist gar nicht so weit weg von seinem neuen Arbeitsplatz.
Was macht den Unterschied?
Wir sprechen über seinen Weg zur Kirche. Er wuchs reformiert auf, war aber auch regelmässiger Gast in römisch-katholischen Gottesdiensten. Schon als Bub zog es ihn in jedes Kirchengebäude hinein. Und so fand er den Zugang zur christkatholischen Kirche St. Peter und Paul in Bern. – Hier wurde er Jahrzehnte später zum Bischof geweiht. – Auf dem zweiten Bildungsweg studierte er an der theologischen Fakultät der Uni Bern evangelische Theologie und wechselte fürs Hauptstudium zur christkatholischen Theologie.
Die Frage muss sein: Was macht den Unterschied zwischen der christkatholischen und der römisch-katholischen Kirche? Es ist nicht viel, aber doch entscheidend. «In der Liturgie haben wir eine 2000 Jahre alte Tradition. Doch wir übersetzen sie ins Heute», antwortete er auf dieselbe Frage im «pfarrblatt», der Zeitschrift der Berner römisch-katholischen Pfarrgemeinden. Und: Anders als in der römisch-katholischen Kirche sind Frauen als Pfarrerinnen zugelassen, und Laien halten Gottesdienste. Die offeneren Christkatholiken trennten sich 1875 von der römisch-katholischen Kirche. Er sieht in der römisch-katholischen Kirche eine Schwester. «Wir haben einfach einen internen Familienkonflikt.» Die Offenheit der Christkatholiken zeigt sich bei Frank Bangerter noch in einem anderen Punkt. Er hat nie ein Geheimnis daraus gemacht, dass er seit 28 Jahren mit seinem Partner zusammenlebt. Im erwähnten Interview mit dem «pfarrblatt» sagt er auch: «Meine Entscheidung ist ein starkes Zeichen für alle queeren Menschen. Die christkatholische Kirche ist in dieser Frage fortschrittlich.» Ja, das stimmt.
Die Zahl der Gläubigen ist stabil
In unserem gemeinsamen Gespräch war seine sexuelle Orientierung kein Thema. In fast allen grossen Schweizer Medien war sie ein primäres nach seiner Wahl. Er steht am Anfang seines neuen Amtes, und da sollen und müssen andere Themen Platz haben. Zum Beispiel die Zukunft dieser Kirche, die wie andere Religionsgemeinschaften auch mit Austritten zu kämpfen hat. «Die Zahl der Gläubigen in unserem Land ist klein, aber zumindest stabil.» Es gehört zu seinen Aufgaben, sich zusammen mit dem Synodalrat als oberstem Gremium Gedanken über die Zukunft der Kirche im Allgemeinen und ihre wirtschaftliche Basis im Besonderen zu machen. Knappere Finanzen machen auch vor dieser Kirche nicht Halt. Als gelernter Ökonom fällt ihm der Umgang mit Finanzfragen leichter. «Knappe Finanzen machen kreativ», sagt er. Mehr Sorge bereite ihm aber, dass die Menschen immer mehr den Bezug zur Kirche verlören. «Dennoch spüre ich nach wie vor, dass der Glaube an eine höhere Macht im Menschen verankert ist. Das bestärkt mich in meiner zukünftigen Arbeit.»
Glücklich und voller Tatendrang
Wir sind mitten im Gespräch. Er ist hin- und hergerissen zwischen dem, was er bisher getan hat, und dem, was kommen wird und was er noch nicht abschätzen, nur erahnen kann. Wie schnell sich alles ändern kann, hat er in den letzten Monaten erlebt. Die Wahl, die Weihe, die Verabschiedung in der Gemeinde in Zürich, die Vorbereitung auf sein «neues Leben» – all das geschah in kurzer Zeit. Anfang September war er im Kloster Baldegg im Kanton Luzern in Klausur, danach fuhr er mit seinem Partner für eine Woche in den Urlaub nach Südtirol. Irgendwann bezog er sein Büro am Willadingweg in Bern. Die noch auf dem Boden gestapelten Bücher und Unterlagen in seinem Büro deuten darauf hin, dass er noch stark in der Einarbeitungs- und Organisationsphase steckt. «Das bin ich», sagt er, «aber glücklich und voller Tatendrang.»
«Bhüet ech Gott!»
Darf man einen Bischof fragen, wie er seine Freizeit verbringt? Natürlich. Man darf. Er liest gerne. Theologische Literatur zum Beispiel. Er liebt die moderne Technik, interessiert sich auch für KI. Eine besondere Affinität hat er zu mechanischen Uhren. Da ist er am Jurasüdfuss genau richtig. Die Region rund um den Bielersee liegt ihm am Herzen. Und fragt man ihn nach seinen kulinarischen Vorlieben, ist die Geschichte schnell erzählt. Er liebt die einfache Hausmannskost: Bratwurst und Rösti zum Beispiel. Und auch wenn man einen Bischof nicht einfach so einlädt, um mit ihm über Gott und die Welt zu reden, wäre die kulinarische Frage, wenn es denn dazu käme, geklärt: «Wer mir eine Freude machen will, lädt mich zu einem Fondue ein.»
Ein gutes Schlusswort. Fast. Zum Abschied drückt mir Frank Bangerter die Hand und sagt, was mir schon lange niemand mehr auf den Weg gewünscht und mich berührt hat: «Bhüet ech Gott!»