Ein Mann mit Blick fürs Individuelle

Sie tragen eine grüne Brille? Dann setzen Sie frische Akzente und beweisen Eigensinn. Voilà! Wer könnte das sagen? Zum Beispiel Ihr Optiker. Zum Beispiel Tom Fankhauser, Optiker mit Charme und Leidenschaft. Mit genau dieser Leidenschaft übernimmt Tom Fankhauser das Grenchner Geschäft «Optissimo» und führt es, nach kurzer Umbauphase, ab dem 12. November im Sinne und Geist seines Vorgängers Doriano Montanari weiter.

Der Gran Seniore darf durchaus eine Träne verdrücken. Doriano Montanari (rechts) verabschiedet sich nach über 40 Jahren aus Grenchen und übergibt sein Geschäft einem langjährigen Weggefährten, Tom Fankhauser, der das Optikergeschäft «Optissi
Der Gran Seniore darf durchaus eine Träne verdrücken. Doriano Montanari (rechts) verabschiedet sich nach über 40 Jahren aus Grenchen und übergibt sein Geschäft einem langjährigen Weggefährten, Tom Fankhauser, der das Optikergeschäft «Optissimo Optik» in Bern führt. Foto: Birgit Priesen

Weissgetünchte Wände und Regale in gleicher Farbe verleihen jedem Optikergeschäft das bekannte, eher sterile Outfit. Fast jedem. Im «Optissimo Optik»-Geschäft am Ryffligässchen 5 in Bern ist alles ein bisschen anders. Tom Fankhauser, der Inhaber und Geschäftsführer, nennt eine solche Umgebung Oase der Gemütlichkeit. Viel Altholz an den Wänden, ein gemütlicher Ohrensessel aus Leder und eine Kaffeebar laden zum Verweilen ein. Ein antiker Schubladenstock versteckt geschickt Zubehör für die vielfältigen Sehhilfen. Dem Betrachter fällt die Vielfalt von farbigen, metallenen, ja sogar hölzernen und steinernen Brillen auf, säuberlich aufgereiht und liebevoll präsentiert. Und der Blick fällt auf einen Kühlschrank einer Berner Kleinbrauerei. Dies hat weniger mit der Optik zu tun, sondern mehr mit dem Hobby von Tom Fankhauser.

Der gleiche Charme soll im Grenchner «Optissimo» Einzug halten. Tom Fankhauser tritt die Nachfolge an von Doriano Montanari, eine Institution in Grenchen schlechthin. Er macht keinen Hehl daraus: «Optisch gesehen», schmunzelt er über seine eigene Wortspielerei, «soll der Laden ein neues Erscheinungsbild erhalten. Ansonsten will ich aber das Ganze im Geiste dieses Mannes, vor dem ich grosse Hochachtung habe, weiterführen.» Nein. Das ist weder hoffärtig noch Honig um den ­gepflegten Schnauzbart von Doriano Montanari gestrichen.

Vor 30 Jahren schon über den Weg gelaufen

Den Gran Signore, den von dem Scheitel bis zur Sohle eleganten Mann, kennt Fankhauser schon lange. Nach seiner vierjährigen Lehre, erzählt er, habe ihm eine Angestellte im Lehrbetrieb bekundet, dass Himmelreich-Optik in Bern eine Arbeitskraft suche. Der junge Berufsmann stellte sich vor und wurde eingestellt. Und lernte so Doriano Montanari kennen, der damals ebenfalls eine Filiale von Himmelreich-Optik in Grenchen betrieb. So gesehen ist es nachvollziehbar, dass es den gebürtigen Seeländer Tom Fankhauser nach Grenchen verschlägt. Schon eher Bestimmung.

Halt. Der erfahrene Unternehmer hebt die Hand. Ihn selbst wird man nicht so oft im Geschäft am Marktplatz sehen. Er wird weiter den Betrieb in Bern führen. Jean-Daniel Kammermann heisst der neue Geschäftsführer, assistiert von der langjährigen Mitarbeiterin in Grenchen, Therese Reichen. Und mit dieser Wahl des neuen Geschäftsführers geht er kein Risiko ein. Dieser führte 15 Jahre ein eigenes Geschäft in St. Moritz – und die beiden kennen sich schon lange – aus der Zeit, als sie gemeinsam während der Lehrzeit die Gewerbeschule besuchten. Jean-Daniel Kammermann spricht zudem fliessend Italienisch, Französisch und Englisch. Es scheint, als würde Tom Fankhauser nichts dem Zufall überlassen.

Die Brille muss passen

Das gilt ebenso für seine Berufsphilosophie. Das «Nasevelo» mitten im Gesicht ist Sehgerät und Accessoire zugleich. Also muss es passen: und zwar zu jeder Person individuell. Klar, hierbei scheiden sich oftmals die Geister. Aber dank viel Berufserfahrung und guter Menschenkenntnis entstand auch der Slogan von «Optissimo Optik»: optimal sehen und aussehen. Und dies wird vom ganzen Team gelebt. Das sagt ein Mann mit über 30 Berufsjahren und mit Blick auf den wachsenden Markt und der ebenso zunehmenden Zahl von Mitbewerbern. Er meint damit die Filialisten, die mit offensiver und zeitweilig aggressiver Werbung um die Gunst der Kundschaft buhlen. Für Tom Fankhauser ist der «Optiker des Vertrauens» eine Frage der Philosophie: «Ich kann alles im Grossmarkt kaufen, oder ich entscheide mich für das Individuelle.» Unter diesem Begriff versteht er nicht nur die Vielfalt von Brillengestellen, in allen Formen und Farben. Für ihn ist die Beratung in einer gemütlichen Umgebung und ohne Zeitdruck das A und O.

Das ist buchstäbliche Individualität, die Fankhauser mehrfach anspricht. Die Gläser lässt er schon lange von seinen Glasproduzenten zuschleifen. Eine Produktionsstätte rentiert für ein kleines Geschäft nicht mehr. Er setzt viel lieber auf eine grosse Auswahl von erlesenen Brillenfassungen – vor allem von kleineren Produzenten. Geschliffene Gläser für Nah- oder Fernsichtigkeit sind bei «Optissimo Optik» kostenlos. Ihm sei wichtig, dass sich der Kunde dadurch etwas entspannter für eine edlere Fassung entscheiden könne. In Bern arbeitet Tom Fankhauser für Augenkontrollen eng mit Augenärzten zusammen. In Grenchen sind auch weiterhin eine Sehprüfung und Linsenanpassung möglich.

Wo ist die Lobby?

Wir sprechen über den Beruf, den er nach wie vor liebt wie am ersten Tag. «Wir arbeiten in einem wachsenden Markt, aber wir haben nach wie vor keine Lobby», moniert Fankhauser. Das zeigt sich etwa darin, dass einer regelmässigen Augenkontrolle im Autoverkehr kaum Gewicht beigemessen werde. Oder dass die Krankenkassen seit 2010 Beiträge an Brillen nur noch über eine Zusatzversicherung sprechen. Oder die unfassbare Tatsache, dass Optikern während der Lockdowns ein Verkaufsverbot auferlegt wurde. «Das ist alles völlig unverständlich», sagt er «schliesslich ist gutes Sehen nichts, das dem Zufall überlassen werden sollte.»

Aber Tom Fankhauser versprüht zu viel Energie und Lebensfreude, als dass er sich deshalb leidlich grämen müsste. Zu abwechslungsreich ist sein Beruf, und Ablenkung findet er in der Freizeit. Beim Kitesurfen, Wandern und Joggen im Sommer, Schneeschuhwandern und Snowkiten im Winter. Vornehmlich in den Freiburger Alpen, wo er mit seiner Lebenspartnerin freie Tage in seinem Chalet am Schwarzsee verbringt. Er und seine Partnerin kochen leidenschaftlich gerne – «Rohstoffe» beziehen sie aus dem eigenen Garten mit Gemüse und Früchten hinter dem Haus in Murten. Beim Essen gilt für ihn ebenso: Individuell schmeckt es am besten! Man sieht es ihm nicht an, aber er tut es trotzdem: fasnachten – als Sousafonist der Bieler Guggenmusik «Tschaupi». Und zum Schluss lösen wir noch sein anderes Hobby auf: Er braut selbst Bier und ist Initiator des Bierclubs «Probiere» in Murten . Individualität zum Dritten. Das gilt ebenfalls fürs Bier.

Zurück zum Geschäftlichen. Am 29. Oktober feiert Tom Fankhauser seinen 50sten und Doriano Montanari hat seinen «Letzten». Ist das eine Geschichte? Sie hat eine Fortsetzung: am 12. November mit der Neueröffnung des «Optissimo Optik» am Marktplatz.