Ein nicht ganz gewöhnlicher Pastor in Grenchen
Dario Colombo ist reformiert, hat katholische Theologie studiert und an der Universität Fribourg promoviert. Am kommenden Sonntag wird er als neuer Pastor der Freikirche BewegungPlus in Grenchen eingesetzt. Vor wenigen Wochen hat er mit seiner jungen Familie eine Wohnung an der Centralstrasse bezogen. Die Geschichte eines nicht ganz gewöhnlichen Theologen.
Die Begrüssung durch Natanja Colombo ist herzlich, umso leichter fällt der Eintritt in die gemütliche Altbauwohnung an der Centralstrasse in Grenchen. Ein paar Schritte weiter übernimmt die fast vierjährige Sophia gleich die Führung: «Ich bin Sophia», zeigt auf ein freudestrahlendes Mädchen, «und das ist Joy, meine kleine Schwester.» Voilà. Drei der vier Familienmitglieder habe ich kennengelernt. Und unser Protagonist Dario Colombo ist auch schon da. Am kommenden Sonntag wird er als Pastor in die Freikirche BewegungPlus Grenchen eingesetzt und Teil einer kleinen Gemeinde mit derzeit ca. 60 Mitgliedern.
Erst vor wenigen Wochen sind sie aus dem bernischen Gümligen hierher gezogen. So richtig angekommen sei er in Grenchen noch nicht, gesteht Dario Colombo. Er habe noch seine Doktorarbeit fertigstellen müssen. Der Titel der Arbeit ist nicht ganz gewöhnlich: «Ecce ancilla Domini / Siehe, ich bin die Magd des Herrn». In der Arbeit geht es um die Unverzichtbarkeit der Mariologie für die Theologie. Mariologie? Die Frage überrascht Dario Colombo nicht. Er hört sie nicht zum ersten Mal und schmunzelt zugleich: «Man muss sehr ‹fromm› sein, um sich für Mariologie zu interessieren.» Aber das war nicht die Frage. Richtig! Die Mariologie beschäftigt sich mit Maria, der Mutter Jesu. Sie reflektiert das Mysterium der Menschwerdung Gottes. Dario Colombo sagt es so: «Wenn Gott wirklich Mensch geworden ist, dann ist Maria wichtig.» Wie recht er wohl hat.
In der Freikirche freut man sich auf ihn
In der Freikirche BewegungPlus in Grenchen, wo er zu 50 Prozent angestellt ist, freut man sich über den neuen Pastor. Man schätzt es, dass er katholische Theologie studiert hat. Fünfmal habe er in Grenchen einen Gottesdienst besucht, um die Gemeinde kennenzulernen, und dabei festgestellt, dass sie als Familie dort gut hineinpassen.
Dario Colombo, Mitte 30, Vater von zwei Kindern und frisch promoviert, ist ein sehr interessanter Gesprächspartner, der in seinem jungen Leben schon zwei- bis dreimal die Richtung gewechselt hat. Er ist in Gümligen aufgewachsen, hat dort zehn Jahre lang die Schule besucht und dann eine Lehre als Informatiker absolviert. Nicht, dass ihm dieser Beruf nicht gefallen hätte, aber das Leben hatte etwas anderes mit ihm vor. Wäre es damals nach ihm gegangen, könnte er heute hauptberuflich Musiker sein. Er spielte Gitarre und hat einige musikalische Projekte gestemmt. Neben den beiden Bands Liquid Rain und Mirayon sei besonders das Projekt «Organ Meets Metal» hervorzuheben. In Zusammenarbeit mit der Kirchgemeinde Bern-Bethlehem und der Metalchurch arrangierte Dario Colombo zusammen mit Cyril Stoller eine reformierte «Metal-Messe». Kirchenlieder begegneten dabei Liedern aus dem Metal und umgekehrt. Auch das ist nicht ganz gewöhnlich.
Die Theologie kam ihm dazwischen
Aus dem gewollten Musikerleben ist nichts geworden, «weil mir die Theologie dazwischengekommen ist». Das sagt er mit einem Lächeln, denn bereut hat er diesen Schritt nicht. Er wollte an der Universität studieren. Das geht aber nur mit Matur, und die hatte er nicht. An der Universität Fribourg gibt es einen anderen Weg, eine Diplomausbildung, die bei einem Notendurchschnitt von 5,5 rückwirkend als Bachelor anerkannt werden kann. Und weil er diesen Notendurchschnitt erreichte, stand ihm die Tür zum Masterstudium offen.
Hochzeit in der Eusebiuskirche
Grosse Augen gab es später auch im Pfarramt Eusebius in Grenchen, als Natanja und Dario dort vorsprachen, weil sie den Bund der Ehe in der katholischen Eusebiuskirche eingehen wollten. Zwei Menschen, beide Mitglied einer Freikirche, wollten in einer katholische Kirche heiraten? «Die Eusebiuskirche ist wunderschön, und da wir viele Gäste erwarteten, brauchten wir dementsprechend einen grösseren sakralen Raum», begründet Dario Colombo diesen ebenfalls nicht ganz gewöhnlichen Entschluss. Ein bisschen mitgespielt haben dürfte wohl auch noch sein theologischer Hintergrund und seine bisher gelebte Affinität zur Ökumene, die er auch künftig unvermindert aufgreifen will. «Die verschiedenen Ausdrucksformen von Kirche haben ein gemeinsames Ziel», sagt Dario: «Suchet der Stadt Bestes» (Jeremia 29, 7). «Gemeinsam mit Jesus Christus für Grenchen», könnte man sagen.
Kennengelernt haben sich die beiden vor 20 Jahren, richtig lieben gelernt haben sie sich vor zwölf Jahren im Jahu, einer landeskirchlichen Gemeinschaft. Natanja ist Grenchnerin und heute wieder zurück in ihrer Heimat. So gesehen erklärt sich das Eheversprechen in der Uhrenstadt auch im Nachhinein. Er freut sich auf die Stadt, die er auch grössenmässig im Vergleich zu Gümligen so wahrnimmt. Der einzige Nachteil, den er bisher festgestellt hat, ist, dass er für einen Spaziergang im Wald dreimal so lange laufen muss. Dafür fühlt er sich in seiner Grenchner Wohnung auf der Nordseite mit dem BLS-Viadukt wie in Rom, auf der anderen Seite mit dem nahen und gegenüberliegenden Hochhaus wie in New York. Eine interessante Perspektive!
Viele Hobbys zum Beruf gemacht
Er freut sich auf seine neue Aufgabe bei BewegungPlus. «Vor allem auf die vielen persönlichen Kontakte», sagt er. Sei es im Büro an der Mühlestrasse oder zu Hause. Er hat gerne viele Leute um sich. Neben seinem Teilpensum in Grenchen arbeitet er mit einem 40‑Prozent-Pensum als Studienleiter am ISTL (International Seminary of Theology and Leadership) in Thun und Zürich. Das ISTL bietet ein duales Theologiestudium für Menschen, die sich in der Kirche engagieren wollen.
Und sonst? Die üblichen Hobbys, die einem die Freizeit versüssen sollen, zählt Dario Colombo nicht auf. Er hat viele Hobbys zu seinem Beruf gemacht. Und noch eine Weile wird ihn seine Familie mit den beiden heranwachsenden Töchtern beschäftigen. Sophia jedenfalls, um auf den Anfang zurückzukommen, fällt nicht weit vom Stamm. Ihre Gastfreundschaft hat sie unter Beweis gestellt. «Auch kürzlich am Weihnachtsmarkt in Grenchen», lacht der Vater. Da habe sie spontan jemanden angesprochen und gefragt: «Hast du Lust, mit uns zu essen?» Sie wird wohl in ein freundliches und zugleich fragendes Gesicht geblickt haben auf diese auch nicht ganz alltägliche Frage ...