Eine Busfahrt, die alltäglich und doch besonders ist

Eine Busfahrt durch Grenchen und Bettlach mag auf den ersten Blick alltäglich erscheinen, doch wer genauer hinsieht, entdeckt eine eigene kleine Welt mit besonderen Momenten. Lisa Bertelle hat für den «Grenchner Stadt-Anzeiger» die Probe aufs Exempel gemacht.

Buschauffeur Rolf Schneider arbeitet seit 30 Jahren bei der BGU.

Es ist 14.52 Uhr, als ich in den Bus Nummer 24 steige. Chauffeur Rolf Schneider begrüsst mich freundlich. Die Sonne scheint und ich merke schnell, dass ich meine Sonnenbrille vergessen habe. Im Bus herrscht eine angenehme Ruhe: Ein Paar führt eine leise Unterhaltung, die meisten Fahrgäste blicken aus dem Fenster oder sind am Handy und hören mit Kopfhörern Musik. Lediglich das leise Radioprogramm aus dem Fahrerbereich und die typischen Geräusche einer Busfahrt – der Signalton beim Drücken des Stopp-Knopfes, die automatischen Durchsagen der Haltestellen, das sanfte Zischen der sich öffnenden und schliessenden Türen – begleiten mich auf meiner Reise. 

«Ade, merci!»
Eine junge Frau steigt ein, begrüsst Rolf Schneider und verabschiedet sich einige Stationen später wieder mit einem kurzen Dankeschön. Auch wenn viele Fahrgäste ohne Gruss aussteigen, hört man von Rolf Schneider oft ein freundliches «Ade, merci!». Während der Fahrt werfe ich einen Blick auf die von der Sonne angestrahlte und verschneite Wandflue. Auf einem Feld in Bettlach erspähe ich eine Katze, die offenbar auf Mäusejagd ist. Die entspannte Fahrt lässt Zeit, um solche kleine Details wahrzunehmen. 

«Am Mittwoch ist deutlich weniger los»
Beim Vorbeifahren grüssen sich die Busfahrer gegenseitig mit einem Handzeichen. «Grüessech mitenang», sagt eine ältere Dame, die am Postplatz zusteigt. Die Fahrt verläuft ruhig und angenehm, im Einklang mit dem Verkehr – mal gewährt Rolf Schneider einem Lieferwagen den Vortritt, mal wird dem Bus Platz gemacht. Ein junger Mann steigt ein und löst sein Ticket direkt am Automaten und man hört die Geldmünzen. Um 15.19 Uhr erreichen wir erneut den Bahnhof Süd. Rolf Schneider nutzt die zweiminütige Pause, um kurz aufzustehen und sich die Beine zu vertreten. Wir unterhalten uns über die bisherige Busfahrt und stellen fest, dass an einem Mittwochnachmittag deutlich weniger los ist, da viele Schüler frei haben. Bald geht die Fahrt weiter. Die Alpenkette entlang der Jurastrasse bietet einen beeindruckenden Anblick. Nach und nach steigen mehr Leute zu, darunter eine Gruppe Teenager, die mit lebhaften Gesprächen die Ruhe im Bus unterbrechen. Um 15.52 Uhr endet die Fahrt erneut am Bahnhof Süd. Die Stunde verging wie im Flug. Eine alltägliche Busfahrt vielleicht – aber mit vielen kleinen Momenten, die sie besonders machen.

«Jeder Chauffeur fährt mal an einer Haltestelle vorbei»
Nach der einstündigen Busfahrt geht Rolf Schneider in seine Pause – eine gute halbe Stunde. Wir holen uns etwas zu trinken und setzen uns im Migros-Restaurant hin. Eine Gelegenheit, um über seinen Beruf zu sprechen. Er erzählt, dass er gerne draussen unterwegs ist und die Selbstständigkeit an seinem Beruf schätzt. Er mag den Kontakt zu den Leuten, aber nach 30 Jahren im Dienst hat die Routine den Reiz ein wenig verblassen lassen. Noch 22 Monate, dann geht er in Pension. ­Weniger gefällt ihm, wenn sich Kunden über Verspätungen beschweren, wie beispielsweise im Winter, wenn es mal schneit. Ein kleiner Verzug kann sich schnell auf die ganze Route auswirken: «Es ist wie ein Rattenschwanz», meint Schneider. Trotzdem wartet er, wenn er gerade jemanden auf den Bus rennen sieht, auch wenn er dabei den Fahrplan im Auge behalten muss. Die meisten Fahrgäste seien jedoch verständnisvoll, wenn es zu kleineren Verspätungen komme. 

Seine Lieblingsroute? «Definitiv die auf den Grenchenberg.» Da seien die Fahrgäste meist entspannter und die Gespräche lockerer als im Morgenverkehr, wenn viele Pendler noch wortkarg seien. Rolf Schneider fährt stets unterschiedliche Touren. Eine Tour dauert zwischen dreieinhalb und vier Stunden und danach gibt es eine zwanzig- bis fünf­undzwanzigminütige Pause. Auch über schwierigere Situationen erzählt er. «Nachttouren können unangenehm sein, besonders wenn Alkohol im Spiel ist», meint er. Bei Streitereien halte er sich so gut wie möglich raus und hoffe, dass die sich streitenden Personen bald aussteigen. 

Immer ruhig bleiben
Besonders schön sei es für ihn, wenn er Fahrgäste sehe, die er früher als Kinder gefahren hat und die nun mit ihren eigenen Kindern einsteigen und wenn er sich kurz mit ihnen unterhalten könne. Mit der Zeit habe sich der Job verändert. Der Fahrplan sei straffer geworden, die persönliche Interaktion weniger. Früher hätten die Chauffeure noch Tickets verkauft, heute übernehme das der Automat oder das Handy. Der persönliche Kontakt gehe dadurch etwas verloren. Was als Busfahrer nicht fehlen dürfe: die Sonnenbrille, meint Schneider schmunzelnd. In den Pausen geht er meist ins Migros-Restaurant oder zur Bäckerei Burkhard. Dort trifft er oft Arbeitskollegen, die gemeinsam mit ihm Pause haben. Zum Schluss verrät er mir noch, dass jeder Chauffeur mindestens einmal an einer Haltestelle vorbeifährt, obwohl jemand auf Stopp gedrückt hat – oder in eine falsche Richtung fährt. Wichtig sei einfach, immer ruhig zu bleiben und schnell zu korrigieren. Heutzutage sei es für ihn beinahe erstaunlich, wenn sich jemand verabschiede. Es passiere immer wie seltener, aber wenn, dann freue ihn das umso mehr. Vielleicht werde ich beim nächsten Mal bewusster «Ade, merci!» sagen, wenn ich aus einem Bus aussteige.