Für die Natur ist der Regen ein Segen

Eisheilige oder Schafskälte: Was kann man im Garten oder auf der Terrasse tun? Jedes Jahr stellen sich dieselben Fragen. Erst recht, wenn der Frühling nie richtig da war und der Sommer sich nur zögerlich ankündigt. Fragen wir die Expertin Ulrike Kubierske-Paetz.

Friedhofsgärtnerin Ulrike Kubierske-Paetz vermutet, dass die Hitzeperiode noch kommen wird. «Es heisst, im Juli und August könnte es heiss werden.» Bild: Joseph Weibel

Friedhofsgärtnerin Ulrike Kubierske-Paetz vermutet, dass die Hitzeperiode noch kommen wird. «Es heisst, im Juli und August könnte es heiss werden.» Bild: Joseph Weibel

Schönes Bild – ein mit Rosmarin übersäter Hang in einem Garten in Italien.

Schönes Bild – ein mit Rosmarin übersäter Hang in einem Garten in Italien.

Ulrike Kubierske-Paetz ist Friedhofsgärtnerin und mitverantwortlich für das Grün bei der Stadt Grenchen. Ihre Heimat ist das Bundesland Hessen mit der Landeshauptstadt Wiesbaden. Sie lebt seit langem in der Schweiz, ist mit einem Schweizer verheiratet und hat zwei Söhne. Seit 2018 arbeitet sie als Leiterin des Friedhofes und ist glücklich mit ihrer Arbeit. Die Natur ist ihr Element. Wenn sie auf Bäume, Sträucher und Blumen zeigt, erzählt und erklärt, spürt man förmlich ihren Esprit.

Zuerst war es der Regen

In diesem Jahr sind die Eisheiligen Geschichte. Die fünf Wetterheiligen erscheinen Mitte Mai und umklammern mit ihren eisigen Armen und Händen Bäume, Sträucher und zarte Pflänzchen, die gerade erst zu wachsen beginnen. Das ist nicht gut. Deshalb sollte man die Eisheiligen abwarten, bevor man frische Kräuter oder Setzlinge in den Boden oder in Töpfe pflanzt. Einen Monat später, also eigentlich jetzt, kommt die Schafskälte. Ulrike Kubierske schmunzelt: «Kein Problem. Richtig kalt wird es sowieso nicht mehr. Die Hobbygärtner mussten sich in den ersten Monaten dieses Jahres ohnehin in Geduld üben. Regen, Regen, Regen.

Für die Natur waren die häufigen und zum Teil intensiven Regenfälle ein Segen. Das sage nicht ich als Laie, sondern die Fachfrau sagt das: «Schauen Sie sich unsere Gärten in der Stadt an. Die Magerwiesen sind förmlich aus dem Boden geschossen und mussten früh gemäht werden.» Nicht zur Freude aller, sagt Ulrike Kubierske. Warum könne man die schönen Blumenwiesen nicht einfach stehen lassen, wurde sie gefragt. Warum nicht? «Sicherheit geht vor», sagt Ulrike Kubierske. Die Wiesen seien schön, aber sie versperrten den Verkehrsteilnehmern die Sicht. Unverständnis keimt überall auf, wenn die Stadtgärtner die neu gesetzten Pflanzen giessen, obwohl es wie aus Kübeln vom Himmel regnet. «Ganz einfach, weil das Giessen am Anfang sehr wichtig ist – auch wenn es regnet.»

Ein paar einfache Regeln

Hobbygärtner können immer etwas dazulernen und erfolgreich gärtnern, wenn sie ein paar einfache Regeln beachten. Ulrike Kubierske vermutet, dass die Hitzeperiode noch kommen wird. «Es heisst, im Juli und August könnte es heiss werden.» Das bedeutet Stress für die Natur. Während sich die Pflanzen in offenen Gärten eher an die wechselnden Witterungsbedingungen anpassen können, müssen Sträucher und Niederstammkulturen auf Terrassen stärker gepflegt werden. Vor allem Sträucher müssen regelmässig und in Hitzeperioden intensiver gegossen werden. «Ganz wichtig: Wenn das Wurzelwerk im Topf kaum noch Platz findet, muss der Strauch in einen grösseren Topf umgetopft werden.» Und was viele vergessen: Sträucher auf Terrassen müssen auch im Winter bewässert werden – ausser bei Frost.

Mediterrane Pflanzen gedeihen gut

Die Fachfrau empfiehlt auch, durchwurzelte Pflanzen zu kaufen, dann ist ein gutes Anwachsen wahrscheinlicher. Wir kommen zu den Kräutern. Das ist eines ihrer Lieblingsthemen. Sie zeigt auf ihrem Handy ein Foto von einem Garten in Italien. Der Besitzer hat den ganzen Hang mit Rosmarin bepflanzt. Das falle ihr auch auf dem Friedhof auf, wo immer mehr Kräuter auf den Gräbern auftauchen würden. Vor allem Rosmarin, Thymian oder Lavendel. Diese Kräuter seien winterhart und würden im Frühjahr wieder austreiben. «Ausserdem sind sie in der Blütezeit ein Fest für die Bienen.» Mediterrane Pflanzen werden häufiger in unseren Breitengraden und gedeihen besser, weil es auch im Winter in tiefen Lagen nie mehr richtig kalt wird.

Wir müssten uns ohnehin an das veränderte Klima anpassen. «Die Pflanzen tun das auch.» Deshalb hat die Stadt zum Beispiel im Mazzini-Park, am Turbinenkreisel oder auch auf dem Friedhof Flächen aufgefüllt und mit Step­penpflanzen durchsetzt. Dazu gehören locker gesetzte Gehölze wie Perückenstrauch und Strahlenginster. Sie dienen der Gliederung der Fläche. Einheimische und exotische Blütenstauden und Ziergräser werden wegen ihrer filigranen Struktur und unterschiedlichen Blütezeiten kombiniert: Nelkenarten, Doldengewächse, Kalkastern oder Mühlenbergia zum Beispiel.

Steppenpflanzen kommen mit sehr wenig Wasser aus, sie füllen ihre Speicher sozusagen bei Regen. Keine Angst: Saisonale Blütenpracht wird es auch in Zukunft in den Stadtgärten geben. Wir haben also gelernt: Regen ist ein Segen. Auch wenn er nervt. Übrigens: Der April war in diesem Jahr mit 45,9 Litern Niederschlag der bisher trockenste Monat, im Mai regnete es mit 158 Litern mehr als dreimal so viel. Und wenn die von Ulrike Kubierske prognostizierte Hitzeperiode kommt, werden wir bald wieder über Hitze und Regenmangel klagen. Wie wir leidlich wissen: Recht machen kann es uns das Wetter sowieso nicht.