Im «Urs + Viktor» kocht jetzt der Junior-Chef
Der Sohn oder die Tochter als Nachfolge im eigenen Unternehmen: Wer möchte das nicht? Vielen Betrieben ist das nicht vergönnt – auch weil viele Patrons nicht oder zu spät loslassen (können). Den «Rank» gefunden hat der Bettlacher Gastronom Alban Walker vom «Urs + Viktor». Sein Sohn Christoph hat den Kochlöffel übernommen und führt seither die Gastronomie im stetig gewachsenen Familienunternehmen.

«So muss es sein», sagt ein glücklicher Alban Walker und meint damit seine Nachfolge in fünfter Generation. Er und seine Frau Pia haben den Betrieb am 1. November 1988 übernommen, während vier Jahren allein geführt und dann zusammen mit seinen Brüdern Kuno und Pius den Traditionsbetrieb weiterwachsen lassen. Die Hotellerie bietet 75 Zimmer, die Gastronomie im Restaurant, Wintergarten, Säle total 200 Plätze. In normalen Zeiten beschäftigt der Bettlacher Betrieb bis zu 30 Mitarbeitende. In der Küche sind es derzeit vier Personen, ein überaus gut eingespieltes Team, sagt der neue Küchenchef Christoph Walker und hakt gleich nach: «Zum Glück können wir auf langjährige Mitarbeitende zählen.» Und trotzdem wäre eine zusätzliche Fachkraft in der Küche dringend nötig.
Im zweiten Anlauf
Was im «Urs + Viktor» gut abgelaufen ist, funktioniert nicht immer gleich gut. Laut Gastroconsult, Expertin in Treuhand, Steuern, Prüfung und Beratung für Restauration und Hotellerie, stehen jährlich 25 000 Firmen vor einem Generationenwechsel. Darunter auch viele Gastro- und Hotelbetriebe. Alban Walker nennt das Kind beim Namen: «Ohne diese Nachfolgeregelung in unserem Betrieb wären wir im ‹Seich›». Berufe in der Gastronomie gehören nicht zu begehrtesten – nach der Corona-Pandemie noch viel weniger. Das «Urs + Viktor» gilt als guter Arbeitgeber in der Branche. «Wir haben keine Kündigungen ausgesprochen während der Pandemie», betont Alban Walker. Und trotzdem wird es immer schwieriger, gute Fachkräfte zu finden.
Auch Sohn Christoph hatte die Nachfolge zuerst nicht unbedingt im Fokus. Er lernte Schreiner, erst im zweiten Anlauf wollte er wissen, ob das Kochen wirklich so faszinierend ist, wie das sein Vater ihm immer sagte. Und? Christoph Walker lacht: «Ich bin hier. Mir gefällt’s.» Dazwischen liegen einige Lehr- und Wanderjahre. Angefangen zu kochen hat er bei Daniel Hinzer im «Pöstli» in Riedholz. Der bekannte Gastronom verstand es jedenfalls, dem Bettlacher Jungspund die Kocherei schmackhaft zu machen. Im buchstäblichen Sinn.
Veränderungen im Gange
Nach der Lehre sammelte er Erfahrungen im «Limpach’s» und zuletzt im Altersheim Biberist. Mit diesem kulinarisch reich bepackten Rucksack kehrte er zurück in den elterlichen Betrieb und nahm die Herausforderung an, seinen Vater nach knapp 35 intensiven Jahren abzulösen. Er erinnert sich noch gut an seine Lehrzeit. «In der Schulklasse waren wir 22 angehende Köche. Gut möglich, dass diese Zahl heute im einstelligen Bereich liegt.» Alban Walker kann das für den Bereich der Restaurationsfachangestellten bestätigen. «Im August haben sich gerade mal vier Personen für eine Lehre angemeldet. Früher waren das im ganzen Kanton um die 30 Anwärter.»
Für Christoph Walker steht fest, dass er seine Berufung gefunden und auch schon die eine und andere Veränderung im Betrieb eingeführt hat. Das Restaurant öffnet seit Anfang September um 9 Uhr; frühe Gäste haben die Möglichkeit, ihren Kaffee im Frühstückssaal des Hotels zu trinken. Und: Nachdem das Restaurant seit 1989 immer durchgehend geöffnet war, wird am Sonntag um 17 Uhr der Betrieb geschlossen. Die Küche ist zudem nachmittags von 14.30 bis 16.30 Uhr geschlossen; kleine Snacks werden von den Servicemitarbeitenden hergerichtet. Offenbar wurden diese Veränderungen von den Stammgästen gut aufgenommen. Spätestens seit der Pandemie habe er festgestellt, dass die Leute viel mehr Verständnis hätten und Akzeptanz für Veränderungen aufbringen würden.
Seine Passion
Christoph Walker hat auch die Speisekarte etwas entschlackt bzw. mit neuen Angeboten ergänzt. Sie darf und soll seine Handschrift tragen. Wer ihn nach seiner Passion in der Küche fragt, erfährt, dass er Pasta-Gerichte gerne macht; wie man Fleisch veredelt und zu einem schmackhaften Gericht verwandelt, habe er bei Daniel Hinzer im «Pöstli» gelernt. Derzeit darf man im «Urs + Viktor» auch wild auf Wild sein. Die Frage sei berechtigt: Wie schafft es ein so kleines Team, in Spitzenzeiten über 100 Mahlzeiten auf die Teller zu bringen – und das immer zeitgerecht? «Das A und O sind Disziplin, ein perfektes Mise en Place und keine fehlenden Zutaten.» Das alles funktioniere aber nur, wenn das Küchenteam gut eingespielt sei und selbstständig funktioniere. Mit dieser Mischung gebe es keinen Stress.
Liefern, nicht lafern
Und den will Christoph Walker auch gar nicht aufkommen lassen. Erst kürzlich wurde er Vater einer Tochter. Da kommen andere Pflichten auf ihn zu. Er, der lange Zeit gerne Fussball spielte, hat seine Gewohnheiten auch geändert. Zu Hause wartet neben der Tochter seine Frau auf ihn. «Sie hat das nötige Verständnis für meinen Beruf.» Die gelernte Bäckerin-Konditorin ist heute Betriebsleiterin einer Tagesstruktur. Ausserdem haben die Walkers im Ried oben in Bettlach eine kleine Tiermenagerie mit Alpakas, Kaninchen, Hühner, Katzen und Pferden als Pensionäre. Damit ist für die junge Familie nicht nur Arbeit verbunden, sondern auch Abwechslung. Den Junior-Chef sieht man im Betrieb eher selten. Er steht in der Küche und will liefern, «nicht lafern», schmunzelt er.
Das Strahlen im Gesicht des Senior-Chefs ist unverkennbar. «Im Betrieb bin ich weiterhin sicht- und spürbar, den Kochlöffel rührt aber Christoph in den Töpfen.» Klare Ansage. So muss es bei einer gut funktionierenden Nachfolgeregelung sein.