Künstler Archiv Grenchen: Ein Keller voller Trouvaillen

Was ist das: ein Museum, eine Galerie, eine Sammlung? Von allem etwas, könnte man sagen. Das Künstler Archiv Grenchen, kurz KAG, beherbergt Tausende von Objekten – von der Münze über Abzeichen, Postkarten, Bücher, Tonträger bis hin zu wertvollen Bildern und alten Filmen. Eingelagert sind diese Zeitzeugen im Zivilschutzkeller an der Lebernstrasse 15 in Grenchen. Ein musealer Ort, den viele nicht kennen.

Roland Schwob (links) und Hanspeter Crivelli umsäumen eines der sechs Gemälde des Grenchner Künstlers Walter Emch.

Nein, wie ein Museum sieht es da unten nicht aus. Das Künstler Archiv Grenchen (KAG) ist auch keines – sondern, wie der Name schon sagt, ein Archiv. Fangen wir mit der Buchhaltung an: ungefähr 10 000 Bilder von über 590 Künstlern lagern hier; 880 Tonträger, 100 Filme, 11 500 Bücher, 3450 Abzeichen, 600 Münzen, 300 Original-ExLibris-Umschläge und 27300 Postkarten. Gleich am Eingang grüsst ein Bild von Carlo Domeniconi († 2009) von der Wand. Der Bettlacher Malermeister und Künstler gestaltete die Silhouette der Stadt vom Chappeli aus gesehen als Bühnenbild für das 75-Jahr-Jubiläum des Jodlerklubs Bärgbrünnli. Das war 2002. Wer erinnert sich noch? Nur wenige. Und damit wir die Vergangenheit nicht ganz vergessen, werden solche und viele andere Schätze aus Grenchen und von vielen anderen Orten im KAG zentral gesammelt und archiviert.

Hereinspaziert

Normalerweise steht vor der Tür der ­Zivilschutzanlage an der Lebernstrasse «Geschlossen». Heute steht das KAG zur Besichtigung offen. Mindestens einmal im Jahr sind die Räume mit den Museumsobjekten für die Öffentlichkeit zugänglich. Hinter dem Archiv steht ein Verein, der vor genau 20 Jahren gegründet wurde. Mit dem Sammeln begann der Grenchner Galerist und Kunstvermittler Toni Brechbühl († 2018) aber schon viel früher, Anfang der Fünfzigerjahre. Er wollte seiner Kunstsammlung einen äusseren Rahmen geben und unter einem einheitlichen Titel regelmässig Publikationen und Ausstellungen mit den gesammelten Kunstwerken realisieren. Der 2005 gegründete Verein erhielt auch die privaten Werke von Toni Brechbühl.

Wie andere Vereine kämpft auch das KAG mit mangelndem Nachwuchs und vakanten Vorstandsposten. «Vielleicht meldet sich noch jemand», hofft Hanspeter Crivelli, derzeitiger Vizepräsident. Das wünscht sich auch Roland Schwob, Sekretär des Vereins und neben Jürg Rüegsegger der eigentliche Verwalter des Archivs. Die beiden sorgen dafür, dass dereinst alles Gesammelte bis aufs letzte Stück in einem digitalen Gesamtverzeichnis festgehalten wird. Von den rund 10 000 archivierten Bildern haben bereits über 7000 ein Datenblatt. Angesichts der eingangs genannten Zahlen ist der Weg zur vollständigen Erfassung aller rund 55 000 Teile noch weit. Aber machbar, wie die Arbeit der unermüdlichen Archivare eindrücklich zeigt. Roland Schwob ist derzeit durch einen Unfall körperlich noch etwas gehandicapt. Trotzdem geht er immer noch gerne ins Archiv und tippt die noch offenen Werke in den Computer ein.

Eine Zeitreise

Der kleine Rundgang durch das Archiv kommt einer Zeitreise gleich. Ein besonderer Blickfang sind die in den Räumlichkeiten verteilten fünf überdimensionalen Gemälde. Es sind Bilder des Grenchner Künstlers Walter Emch, der 1997 im Alter von 78 Jahren verstarb. Diese fünf Bilder, die den Lebensweg von der Geburt bis zum Tod symbolisieren, waren an der Expo 64 in Lausanne zu sehen. Solche und andere Bilder, die hier im Zivilschutzkeller ­lagern und durch Schenkungen und Nachlässe den Weg hierher gefunden haben, sind mehr als nur Trouvaillen. Sie sind buchstäblich Schätze. Gilt das auch für die über 27 000 Postkarten, 3450 Abzeichen, 600 Münzen oder 300 Original-ExLibris-Umschläge? «Alles ist in gewissem Sinne ein Unikat, auch wenn von den einen oder anderen Kunstgegenständen natürlich Kopien noch irgendwo existieren», sagt Hanspeter Crivelli. Aber wenn sie nicht zentral gesammelt und thematisch geordnet würden, würde diese Vergangenheit immer mehr verschwinden.

Eigentlich ist es schade, dass diese Kunstwerke wie in einem Verlies vor sich hinschlummern, anstatt an anderer Stelle ständig der Öffentlichkeit ­präsentiert zu werden. Man würde beim Verein offene Türen einrennen. Es hat schon einige thematische Ausstellungen gegeben. Zum Beispiel 2011 eine zum Werk des 1996 verstorbenen Grenchner Künstlers Ferdinand Kaus oder im gleichen Jahr anlässlich der 1.-August-Feier eine komplette Sammlung der Bundesfeier-Abzeichen von 1923 bis 2023. Auch an öffentlichen Anlässen ist das KAG präsent: zum Beispiel am «coffre couvert» im Sommer auf dem Grenchner Marktplatz. Aber eine Dauerausstellung? Hanspeter Crivelli und Roland Schwob schütteln den Kopf. «Es ist schwierig, geeignete Räumlichkeiten zu finden.» Gerne würden sie sich eines Besseren belehren lassen!

Ach ja, 2019 nutzte das KAG den Internationalen Museumstag, um die damals bezogenen neuen Räumlichkeiten der Öffentlichkeit zu präsentieren.

www.kagre.ch