Kulturvermittlerin mit Herz und Empathie

Auf ein Wort mit ... Monika Bruder, Kulturvermittlerin Museum Grenchen. Bild: zvg

«Was ist Ihr Lieblingsort?», so lautet die Standardfrage an die Exponenten für dieses monatliche persönliche Porträt. Und? Monika Bruder, seit 25 Jahren im Kultur-Historischen Museum (oder neu: Museum Grenchen) tätig, wählt das «Il Grano» in Büren an der Aare – mit der hehren Absicht, dass unser Gespräch an einem lauschigen Plätzchen an der Aare stattfinden kann. Wir haben Glück. Der Termin fällt auf einen der bisher wenigen schönen und auch warmen Tage. «Ist es nicht schön hier?» Keine Frage. Hier könnte man stundenlang verweilen. Seit 35 Jahren lebt Monika Bruder in der Schweiz – in Büren an der Aare, um genau zu sein. Ihr rheinland-pfälzischer Dialekt dringt immer noch durch. Deshalb sagt sie: «Im Herzen fühle ich mich als Schweizerin, in der Sprache (noch) nicht.» Muss sie auch nicht. Ihr gepflegtes Hochdeutsch klingt gut, und den Schweizer Dialekt versteht sie natürlich auch.
Die 25-Jahr-Feier des Museums Grenchen ist uns noch in bester Erinnerung. Als der erste Stiftungsratspräsident, Marco Leutenegger, die Geschichte davor und die 25 Jahre danach aufzählte, musste Monika Bruder immer mal wieder schmunzeln, oder es wurden Erinnerungen wach. 1999 war sie gerade zehn Jahre in der Schweiz, und ihr erstgeborenes Kind war zehn Jahre alt. Nach zehn Jahren als Hausfrau und Mutter entschloss sich die dreifache Mutter, zumindest in Teilzeit wieder ins Berufsleben einzusteigen, und bewarb sich auf ein Stelleninserat des Kultur-Historischen Museums Grenchen, das eine Aufsichtsperson suchte.


Sie strahlt Empathie und Kompetenz aus
Sie bekam die Stelle – nicht in erster ­Linie wegen ihres Lebenslaufs, sondern weil sie Einfühlungsvermögen und Kompetenz ausstrahlte. Die neue Arbeit machte ihr Spass, sie bildete sich weiter, um die Besucherinnen und Besucher des aufstrebenden Museums noch sachkundiger informieren zu können. – Monika Bruder stammt aus dem Ahrtal, einer Kur- und Weinregion in Rheinland-Pfalz. Sie ist gelernte Masseurin und medizinische Bademeisterin. Dass es sie und ihren Mann einmal in die Schweiz verschlagen würde, war nicht geplant. Und es hätte auch anders kommen können. Monika Bruder schmunzelt: «Eigentlich wollte mein Mann nach Italien gehen. Doch nach der Diplomarbeit bot man ihm eine Festanstellung an.» Ihr Mann, ein diplomierter Keramikingenieur, fand Arbeit in Biel bei einer Produktionsfirma, und das junge Ehepaar aus Deutschland bewarb sich noch erfolgreich um eine Mietwohnung an der Kanalstrasse in Büren an der Aare: «Ich fühlte mich vom ersten Moment an wohl in diesem historischen Städtchen, das mir zur zweiten Heimat und zum dauerhaften Wohnsitz wurde.» Zusammen mit einer Familie bauten sie ein Doppeleinfamilienhaus. Heute sind sie Eltern von drei erwachsenen Kindern und Grosseltern von zwei Enkelkindern.


Die einen steigen ein, die anderen aus
Ich versuche immer wieder, sie an ihre ursprüngliche Heimat zu erinnern. Hat sie noch Kontakt, eine Verbindung zu ihrer 520 Kilometer entfernten Heimat? Ein bisschen nicht mehr so stark wie früher. «Mit den Jahren hat sich vieles verändert. Mein Mann hat drei Geschwister. Von meiner Familie lebt nur noch der Vater. Wir sehen uns meistens bei Familienfeiern.» Ihr Leben spielt sich hier ab – in Büren an der Aare, in Grenchen, in der Schweiz. Und so ist auch ein neuer Freundeskreis entstanden. Sinnbildlich sind sie damals in den Zug gestiegen, alte Bekannte sind ausgestiegen, neue eingestiegen. Als die Kinder noch klein waren, ging es meist in die Skiferien nach Mittenwald (in der Nähe von Garmisch-Partenkirchen in Deutschland). Da war noch ein bisschen Deutschland im Leben der Familie Bruder.


Grenchen kennen und lieben gelernt
Grenchen, auf der anderen Seite der Aare, hat sie nach ihrer Anstellung im Museum richtig kennen und lieben gelernt. «Ich finde die Stadt nicht nur lebenswert, sie hat auch viele versteckte schöne Seiten.» Wie sie darauf kommt? Im Laufe ihrer Tätigkeit leitete sie auch Führungen durch die vermeintlich gesichts- und charmelose Industriestadt. Sie belehrt die oft staunenden Teilnehmenden eines Besseren. Das Museum Grenchen wurde in den Anfängen noch nicht richtig wahrgenommen. Das KHM, so die Abkürzung des ursprünglichen Namens, war am Mittwochnachmittag und am Wochenende geöffnet. Im Laufe der Zeit kamen immer mehr Privatpersonen, Gruppen, Vereine, Firmen und vor allem Schulklassen, was die Entwicklung des Museums förderte und den Ausstellungsrhythmus von ursprünglich einer Ausstellung pro Jahr intensivierte. Die personelle Fluktuation im Museum blieb gering. Tanja Kröni-Leutenegger war die erste Leiterin, dann kam Angela Kummer für zehn Jahre, Marco Kropf (zwei Jahre), und heute leitet Anne Hasselmann das Museum. Monika Bruder war zusammen mit einer Kollegin Co-Leiterin (vor Angela Kummer) des Museums.
Was war ihr persönliches Highlight der bisherigen Ausstellungen?  Die Miederausstellung in Zusammenarbeit mit der Firma Triumph aus Zurzach. Aber sie sagt gleich darauf: «Jede Ausstellung hat ihren Reiz und ist spannend.» So auch die noch laufende Ausstellung über die 50er-Jahre, initiiert von der Grenchner Stadtschreiberin Luzia Meister. Das diesjährige Grenchner Fest im August ist gleichzeitig die Finissage dieser Ausstellung.

Vieles hat sich gewandelt
Ein guter Übergang. Nirgendwo spiegelt sich der Wandel der Zeit besser wider als im Museum. Wie empfindet sie den Wandel der Zeit? «Die Gesellschaft hat sich sehr verändert, vor allem nach Corona.» Nein, nicht unbedingt zum Guten, meint sie. «Die Menschen gehen distanzierter miteinander um.» Niemand will sich engagieren, schon gar nicht ehrenamtlich. Oder das Gewerbe. Früher habe es in Büren drei Metzgereien gegeben. Sie relativiert und hakt nach: «Hier bekommt man wenigstens alles für den täglichen Bedarf.» Büren ist nicht nur ein historisches Städtchen, sondern auch ein Anziehungspunkt für auswärtige Gäste. Und so ist sie auch ab und zu als Stedtliführerin auf dieser Seite der Aare und in dieser noch sehr lebendigen Gemeinde tätig.

Ein beliebter Treffpunkt
In vier Jahren geht Monika Bruder offiziell in den Ruhestand. Ihr Mann ist bereits im Vorruhestand. Sie will bis zu ihrer Pensionierung im Museum bleiben – noch immer mit ihren 20 Stellenprozenten in der personell gewachsenen Gemeinschaft: Mittlerweile sind sie als Aufsichtskräfte zu viert. Zusätzlich Gabi Winistörfer leitet das Sekretariat, Bettina Kurz ist wissenschaftliche Mitarbeiterin und für die Inventarisierung zuständig. Der Eintritt der neuen Museumsleiterin, Dr. Anne Hasselmann, war im Juli 2023. 2024 ist das Jubiläumsjahr, und somit war auch ihr Einstieg optimal.  «Der Stiftungsrat unterstützt unsere Arbeit sehr gut, die Museumsgesellschaft ist ebenfalls eine treibende Kraft.» Inzwischen ist das Museum zu einem beliebten Treffpunkt geworden. Sogar Kindergeburtstage können hier gefeiert werden. Schulklassen kommen aus der näheren und der weiteren Umgebung. Für Monika Bruder ist ihre Arbeit nach wie vor ein Vergnügen. Sie habe immer das Privileg gehabt, nicht arbeiten zu müssen, sondern zu dürfen. 
Zeit für Privates findet sie genug. Treffen mit Freunden zum Essen oder Spieleabend. Mit ihrem Jack-Russell-Terrier geht sie dreimal täglich spazieren, an sonnigen Sommertagen trifft man Monika Bruder auch im Bürener Schwimmbad. Das Haus mit Garten gibt Arbeit, zwei- bis dreimal in der Woche hütet sie ihre Enkelkinder. Die Tage sind ausgefüllt. Und das ist auch gut so, findet sie. Zeit zum Reisen? Natürlich. Ihre schönsten Erinnerungen hat sie an eine längere Reise nach Kuba. Heute geht es in den Ferien meist nach Korsika, Italien oder Griechenland. 
Und wenn Monika Bruder dann ­wieder zurück in Büren an der Aare ist, dann ist sie zu Hause – ohne Wenn und Aber.