René Meier: Er fühlt sich in der Luft, auf dem Land und im Wasser zu Hause

Schwere «Brummis» sind auch eine Passion von René Meier. Auf dem Bild posiert er mit einem Saurer-Lkw. Bild: Privatarchiv

Schwere «Brummis» sind auch eine Passion von René Meier. Auf dem Bild posiert er mit einem Saurer-Lkw. Bild: Privatarchiv

Endlich kann er seiner heimlichen Leidenschaft frönen: Ich treffe René Meier am Klavier. Ein wertvolles Klavier. Deutlich über 100 Jahre alt und ein Vermächtnis der Grossmutter seiner Lebensgefährtin. René Meier ist immer für eine Überraschung gut. Das weiss er selbst, das weiss auch sein Umfeld, das alles andere als klein ist. Und doch: An offiziellen Anlässen ist er eher selten anzutreffen – es sei denn, sie stehen in direktem Zusammenhang mit seinen verschiedenen Ämtern. Und das sind einige Ämter, die der Mann mit dem weissen kräftigen Haar noch ausübt. Sein biologisches Alter beträgt 78 Jahre, doch sein eher schwebender Stechschritt und sein unermüdliches Wirken lassen ihn um einiges jünger erscheinen.

1986 bin ich René Meier zum ersten Mal begegnet. Damals hatte er noch dunkelbraune Haare, aber die gleiche Frisur und den markanten Schnauzbart unter der Nase. Er heuerte mich als Pressechef beim FC Grenchen an, der von der höchsten in die zweithöchste Liga abgestiegen war. Er war Präsident dieses Klubs. Was in aller Welt hat den Berufsoffizier geritten, ein solches Amt zu übernehmen? Er lacht: «Tinu von Burg war schuld. Er hatte, so schien es, die US-Firma General Electric an der Angel, die in Grenchen 400 Arbeitsplätze schaffen und damit auch dem FCG Segen bringen sollte.» General Electric war unter anderem in der Luftfahrt tätig, eine der Leidenschaften von René Meier. Die Ansiedlung blieb ebenso aus wieder Segen für den Traditionsklub.

Das Plus der A-Saison, rund eine Viertelmillion Franken, verschmolz in den schon vorhandenen roten Zahlen. Sechs Jahre lang war René Meier Präsident. Er resümiert diese Zeit wie vieles in seinem Leben pragmatisch: «Ich habe viele Leute kennen gelernt – viele gute. Aber leider auch viele, die ich nicht mehr kennen möchte.» Heute, 40 Jahre später, kommt ihm immer wieder in den Sinn, wie ­einige offenbar erfolgreiche Vereinspräsidenten geendet haben. Zum Beispiel Hubert Stöckli, der Spielautomatenkönig von Wettingen. Als die Maschinerie in seinem Kerngeschäft ins Stocken geriet, floss auch kein Geld mehr in den Club, der als Folge in Konkurs ging. Nur ein Beispiel.

In diese Zeit fällt auch sein Intermezzo in der Reisebranche. Zusammen mit Peter Vasellari gründete er das gleichnamige Reisebüro in Grenchen. «Die Reisebranche war nicht meine Welt. «Ich konnte doch nicht etwas verkaufen, was ich nicht selber gesehen oder erlebt hatte.» Nach sechs Jahren Abwesenheit von der Luftwaffe kehrte er zurück. Seine Grundausbildung absolvierte er an der Verkehrsschule in Biel, dann zog es ihn zur Swissair, wo er sich im Bereich der Ground Operations ausbilden liess. Das war nicht seine einzige Leidenschaft. Weiss Gott nicht. Luft, Wasser und Erde sind drei der vier Elemente, die wir zum Leben brauchen. Nur das Feuer fehlte in der Auflistung. René Meier fängt dafür Feuer auf einem Schiff im Wasser oder auf dem Boden in einem Lastwagen, am liebsten mit so vielen Achsen wie verfügbar ... Seinen Pilotenschein hat er vor vier Jahren nicht mehr aktiviert, das Hörvermögen genügte den Anforderungen nicht mehr.

In der Rekrutenschule machte er als junger Leutnant seinem Kommandanten klar, dass er unbedingt den Lastwagenausweis machen müsse. Er wirkte so überzeugend, dass ihm sein eher ungewöhnlicher Wunsch gewährt wurde. Er habe sich auf Fahrzeuge (für Betankung, Brandbekämpfung, Schneeräumung, Schlepper) spezialisiert, schmunzelt er. Als Ausbildungsverantwortlicher für die damalige Flieger-Bodenorganisation vertrat er die seinerzeitige Rüstungsbotschaft und sprach zu Parlamentariern und zu den Medien über Spezialfahrzeuge, als wären sie das Normalste auf der Welt. Der damalige persönliche Berater von Bundesrat Samuel Schmid wurde stutzig und fragte ihn, woher er seine Kompetenz habe. «Ich bin ein Universalgenie», antwortete René Meier ohne Umschweife. Jedenfalls ging das Geschäft im Parlament durch. René Meier reicht noch nach: «Übrigens: Die kritischsten Fragen stellte damals der schwer zu überzeugende und spätere Bundesrat Hans-­Rudolf Merz.»

Wer René Meier kennt, weiss, dass er mit Emotionen eher geizt. Sein Gesichtsausdruck bleibt unverändert, wenn er spricht. Allenfalls die Stimme wird etwas lauter. Und wenn er für seine Verhältnisse herzlich lacht, bewegen sich nur wenige Gesichtsmuskeln. Wer 27 Jahre Berufsoffizier bei der Luftwaffe ist und zweimal im Jahr mit neuen Leuten zu tun hat, braucht ebenso wenig ein Schenkelklopfer oder Partylöwe zu sein. Seine Freizeit, die natürlich seit Jahren zunehmend seinen Tagesablauf prägt, widmet er seinen Ehrenämtern – als Präsident der christkatholischen Kirchgemeinde Grenchen-Bettlach, als Vizepräsident der Nationalsynode, die er ab 2026 für zwei Jahre präsidieren wird, als Vorstandsmitglied der Fabeso (Fachstelle für Beziehungsfragen des Kantons Solothurn), als Freund der Elektrofliegerei und des Klavierspiels. Alles ziemlich kopflastig. Da bleibt keine Zeit mehr für Hobbys. René Meier schüttelt energisch den Kopf. «Was ich aufgezählt habe, sind meine Hobbys. Zu kurz kommt nur das Führen schwerer Nutzfahrzeuge.»

In seine Erzählungen, die er flüssig und meist emotionslos vorträgt, baut er immer wieder Anekdoten ein, die ihm ebenso regelmässig ein leichtes Schmunzeln ins Gesicht zaubern. So erinnert er sich noch gut an seine erste Generalversammlung des FC Grenchen. Damals war der «Blick» mit zwei Leuten anwesend. «Der Fotograf hat so lange auf mich geschossen, bis er mich mit geschlossenen Augen erwischt hat.» Der Titel des Artikels: «Der neue Präsident geht mit geschlossenen Augen in die Zukunft». Heute kann er darüber lachen. Damals fand er das nicht so lustig. Noch eine Anekdote? Bitte sehr! Als Schulkommandant in Payerne rief er einen Leutnant zu sich und fragte ihn: «Haben Sie schon mal einen dreckigen Galliker-Lastwagen gesehen?» «Nein», antwortete der Leutnant und wusste, dass Meier die etlichen schmutzigen Saurer 2DM und Berna 2VM in der Halle 5 gesehen hatte. «Eine Stunde später», sagt René Meier, «waren die Fahrzeuge blitzsauber.» Wie kam er auf Galliker Transportfahrzeuge? Ganz einfach, weil er durch seine Leidenschaft für Lkw eben auch diese Kreise kennen lernte.

Hat dieser Mann Zeit für eine Partnerschaft? Er hat sie – seit vielen, vielen Jahren. In seine Lebensgefährtin Renata Schreiber hat er sich auf den ersten Blick verliebt. Nein, geheiratet hätten sie nie. Aber es sei ein latentes Gesprächsthema, denn eine Konkubinatspartnerschaft sei erbrechtlich nach wie vor schlecht gestellt.

Dass er kirchlich an eine kleine Gemeinschaft gebunden ist, stört ihn nicht. Er ist in einer christkatholischen Familie aufgewachsen und ihr bis heute verbunden geblieben. Auch als Laientheologe, indem er mit einem Team regelmässig Wortgottesdienste hält. Er liebt diese Art der Verkündigung, die er an seine Mitchristen weitergibt und dabei auch aktuelle Themen aufgreift. –

Mit 57½ Jahren ist er frühzeitig in Pension gegangen. «Frühzeitig» ist vielleicht etwas übertrieben. Militärische Instruktoren und Berufsmilitärpiloten gingen damals mit 58 in den Ruhestand, denn die Arbeitszeit richtete sich nach den dienstlichen Bedürfnissen, nicht nach Arbeitsstunden. Und weil er sich ohnehin nicht zum Nichtstun berufen fühlte, übernahm er die Leitung des Flughafens Grenchen. «Ich war zu vorbelastet. Das war keine gute Entscheidung, im Nachhinein.» Nach zwei Jahren habe er die Übung» abgebrochen. Es spricht für sein Wesen: Man muss nicht unnötig verlängern, was nicht funktioniert. Darauf folgte eine Verpflichtung für den Aero-Club der Schweiz und für europäische Aviatikorganisationen.

Seine Wortgewandtheit, sein immenses Wissen und nicht zuletzt seine Geradlinigkeit haben ihm immer wieder die notwendigen Türen geöffnet. Er hat viel zu erzählen, so viel, dass hier nur ein kleiner Teil in Worte gefasst werden kann. Für das Foto setzt er sich ans Klavier. Erst mit 74 Jahren hat er damit begonnen. Dabei hatte er schon als Kind den sehnlichsten Wunsch, ebenso wie Fussball zu spielen. Beides blieb ihm verwehrt, weil «man» zu Hause dagegen war. «Man ist nie zu alt, um etwas Neues zu lernen», sagt er. Und das glaubt man ihm auf den ersten Blick. Wirklich!