Spartageskarte: Nur wenige Gemeinden bieten sie an

Sie waren meist heiss begehrt: vergünstigte Tageskarten, die praktisch bei allen Gemeinden bezogen werden konnten. Anfang 2024 wurde die Gemeinde-Tageskarte durch die Spartageskarte ersetzt. Rund jede zweite Schweizer Gemeinde macht nicht mit – darunter auch Grenchen.

Ein Scan-Ausschnitt der Werbung für die Spartageskarten Gemeinde. Bild: Joseph Weibel

Die Werbung tönt verlockend: «Mit der Spartageskarte sind Sie jetzt noch günstiger einen Tag lang unterwegs: ab 29 Franken mit Halbtax, ab 52 Franken ohne Halbtax.» «Ab» heisst: Wer früher bucht, fährt günstiger Bahn. Die Spartageskarte gibt es in zwei Tarifstufen. Eine Tageskarte für die erste Klasse mit Halbtax kostet 66 ­Franken oder kurzfristig gebucht 99 Franken. Der Normaltarif beträgt 128 Franken.

Nicht verlängerter Schalter der SBB

Von den 2131 Gemeinden und Städten in der Schweiz bieten aktuell 1070 Gemeinden die Spartageskarte an. Jede zweite Gemeinde verzichtet auf diese Dienstleistung für die Einwohnerinnen und Einwohner. Warum? Der Grenchner Stadtschreiber Sven Schär: «Wir hatten die vergünstigte SBB-Tageskarte ebenfalls im Angebot.» Nach der Abschaffung habe man von einem Umstieg auf Spartageskarte abgesehen. Am 14. März 2023 antwortete die Stadt auf eine kleine Anfrage von Gemeinderat Matthias Meier-Moreno, dass für die Einführung der Spartagesarte der Aufwand und die dafür nötigen Ressourcen zu gross seien. Zudem sehe sich die Gemeinde nicht als verlängerter Schalter der SBB.

Keine Kulanz während der Coronakrise

Ähnlich tönt es auch aus den umliegenden Gemeinden. Lengnau bot bis Ende 2020 vier SBB-Tageskarten an. Die Nutzung sei eher mässig gewesen, schreibt Sachbearbeiterin Melanie Perrot von der Einwohnergemeinde. Die Spartageskarte sei dann kein Thema mehr gewesen. David Löffel, Leiter Präsidiales in Pieterlen, monierte, dass sich die SBB während der Corona-Krise nicht kulant gezeigt hätten, so dass die Gemeinde auf den Tageskarten sitzen blieb und ein Defizit von mehreren tausend Franken übernehmen musste. Pieterlen biete keine Spartageskarten an, unter anderem weil die Preise deutlich erhöht worden seien, so Löffel.

Nur drei Gemeinden in der näheren Umgebung

Büren an der Aare und Safnern im ­Bernischen und Selzach in der näheren und unmittelbaren Umgebung sind die drei einzigen Gemeinden, die vom neuen Angebot der Organisation Alliance Swiss Pass sowie des Schweize­rischen Gemeindeverbands und Schweizerischen Städteverbunds Gebrauch machen. Die drei SBB-Tageskarten, die man im Angebot hatte, seien sehr rege benutzt worden, erklärt ­Sabine Uhlmann, die stellvertretende Gemeindeschreiberin von Büren. Deshalb nutze man das Angebot der Spartageskarten. Überdies können Bürener für eine auswärtige Begleitperson ebenfalls ein Sparticket kaufen, sofern diese am gleichen Datum verreisen. Arch, Leuzigen wie auch Bettlach haben nach der Einstellung der SBB-Tageskarten auf eine Fortsetzung verzichtet. Die Archer Gemeindeschreiberin Tanja Fortunato bemerkt, dass das Sparkartenangebot weder in der Handhabung noch in Bezug auf den Verwaltungsaufwand überzeuge. Bettlachs Gemeindeschreiber Gregor Mrhar: «Das Angebot wurde aber mit dem Produktwechsel auf die ‹Spartageskarte Gemeinde› per 30. Juni 2023 definitiv eingestellt.»

Zahlen konstant

Wie geht Alliance Swiss Pass, die Branchenorganisation, mit solcher Kritik um? Mediensprecherin Michaela Ruoss: «Der Grossteil der Gemeinden und ­Städte ist mit dem neuen Angebot zufrieden. Das zeigen uns nicht nur die ­Rückmeldungen aus der Erfahrungsgruppe, sondern auch die konstanten Zahlen.» Vor der Einführung des neuen Modells seien jedes Jahr zahlreiche ­Kommunen abgesprungen. Seit dem neuen Modell seien die Zahlen stabil. Kündigungen und Neuanmeldungen hielten sich die Waage.

Der zitierten Kritik entgegen hält ­Michaela Ruoss den Vorteil, dass die Gemeinden im Gegensatz zu früher kein finanzielles Risiko mehr tragen müssen. Sie anerkennt allerdings den gewachsenen Verwaltungsaufwand, weil die Gemeinden die Personalien der Reisenden aufnehmen und prüfen ­müssen, ob sie in der betreffenden ­Gemeinde ansässig sind. «Für die meisten ist der Mehraufwand vertretbar, weil sie die Spartageskarte als Service public für ihre Bürgerinnen und Bürger sehen.»

Die Spielregeln

Wie sind die Spielregeln? Die Spartageskarte Gemeinde kann in beliebiger Anzahl gekauft werden. Sie ist ausschliesslich personalisiert mit Vor- und Nachname sowie Geburtsdatum der reisenden Person. Bezogen werden können die Karten sechs Monate bis ein Tag vor Gültigkeit. Die günstigste Tarifstufe gilt bis maximal zehn Tage vor dem Reisetag. Ausgegeben wird die Karte zudem als personalisiertes Mobile- oder Papierticket. Auf der Website: www.spartageskarte-gemeinde.ch kann die Verfügbarkeit geprüft und die teilnehmenden Gemeinden können eruiert werden (erste oder zweite Tarifstufe).

Was also spricht dagegen? Regelmässige Bahnfahrer wissen, dass Spartickets- und -tageskarten direkt via SBB-App oder auf der Website der SBB jederzeit bezogen werden können. Verfügbarkeit und Preisen hängen – wie beim Fliegen – von der Auslastung (Zeitpunkt der Reise) und entsprechend früher Buchung ab.

Einen Vorteil streicht die Alliance Swiss Pass besonders hervor: Mit der Herausgabe von personalisierten Mo­bile- oder Papiertickets würden auch nicht-digital-affine Kunden Zugang zum neuen Angebot erhalten.