Wenn es im Pneucenter hin und her geht wie im Taubenschlag

Der erste Schnee bis in mittlere Lagen hat das Pneucenter Schwab AG in Bettlach jäh aus dem Sommerschlaf gerissen. Nach dem kurzen Wintereinbruch lief das Telefon heiss, und die ersten 300 Kundinnen und Kunden wollten ihre Autos frühzeitig von Sommer- auf Winterreifen umrüsten. Für Firmenchef Werner Schwab ein Déjà-vu – mal früher, mal später, wenn die Saison beginnt.

Im Pneucenter Schwab in Bettlach herrscht derzeit Hochbetrieb. Drei Männer und eine Frau sorgen dafür, dass die Kunden zufrieden sind (von links): Imer Fazliji, Dominik Zürcher, Werner und Marinette Schwab. Bild: Joseph Weibel

Es war Mitte September. Die Schweiz erlebte einen heftigen Wintereinbruch – von einer Stunde auf die andere kann eine Autofahrt mit Sommerreifen zur Rutschpartie werden. Das bedeutet manchmal Arbeit für die Carrosseristen, oft auch für die Pneucenter. In der Werkstatt türmen sich vor allem die Reifensätze, die gleichentags buchstäblich noch unter die Räder kommen. Bei Hochbetrieb sind das 50 bis 60 Radsätze pro Tag. Und das Motto heisst: Wer früher reserviert, kommt schneller an die Reihe – ob im Herbst beim Wechsel auf die Winterpneus oder umgekehrt im Frühling beim Wechsel auf die Sommerpneus.

Über 6000 Reifen eingelagert

Dieses Bild spiegelt sich im Pneucenter Schwab in Bettlach alle Jahre wieder. Pneucenter Schwab, das sind Werner und Marinette Schwab sowie zwei festangestellte Mitarbeitende. Werner Schwab kämpft mit Lieferengpässen. «1,8 Millionen Reifen fehlen auf dem europäischen Markt», sagt er. Und während er das sagt, wird sein Tag gerettet. Ein sehnlichst erwarteter Satz Räder für einen Kunden ist eingetroffen, der eine Stunde später mit seinem Wagen aus der Werkstatt und ins ferne Ausland fahren will. Höchste Zeit also, dass wir uns das stolze Radlager der Kundschaft des Pneucenters Schwab angucken. Eine Etage höher über der Werkstatt lagern über 6000 Reifen mit und ohne Felgen – das entspricht weit über 1000 Radsätzen. Und alle sind fein säuberlich nummeriert. Es werde enger hier oben, sagt Werner Schwab. Auch weil die Räder immer grössere Durchmesser haben und von der Norm zwischen 15 und 18 Zoll ­abweichen. 23-Zoll-Räder seien keine Seltenheit mehr und seien oft an Elektroautos zu finden.

Aber in einem Pneucenter werden nicht nur Reifen für Kunden eingelagert, hier werden auch einfach Pneus verkauft. Da spürt nicht nur das Pneucenter Schwab Gegenwind des Online-Geschäfts. «Oftmals müssen die Leute dann aber feststellen, dass die Preise sich meist nur geringfügig unterscheiden.»

Sauberes Geschäft

Doch der Radwechsel im Herbst und im Frühling ist das Hauptgeschäft. Und da herrscht nicht nur Hochbetrieb in der Werkstatt, sondern die Radsätze müssen schliesslich von oben nach unten befördert werden. 50 bis 60 Sätze gehen aus dem Lager, 30 bis 35 ins Lager. Letztere werden zudem vor der Einlagerung einzeln in einem Roboter gewaschen. Aus dem Lager genommen oder eben umgekehrt ins Lager gestellt, werden die Pneus einzeln von Hand auf einen Transportwagen gestellt und mit dem Lift in die Werkstatt befördert. Da kommen einige hundert Kilogramm zusammen. Ein Radsatz mit Felgen wiegt im Schnitt 70 Kilogramm.

Mit den Autos und den Rädern kommen Staub und Verschmutzung in die Garage. Sauberkeit ist deshalb grossgeschrieben. Der Werkstattboden wird ­täglich gesaugt und ein- bis zweimal pro Woche nass aufgenommen. Das wird geschätzt, vor allem von der weiblichen Kundschaft, wissen Werner und Marinette Schwab. Der Firmenchef schätzt sie auch als Kundinnen, weil sie zwar auch verhandeln, aber fair. «Sie feilschen nicht», sagt Werner Schwab. Dass keine Pin-up-Girls-Poster an der Wand hängen, werde besonders geschätzt, ergänzt Marinette Schwab.

Viel Herzblut und Leidenschaft

Man spürt es förmlich bei den beiden: Hinter der Arbeit steckt viel Herzblut und Leidenschaft. Dabei könnten sie es schon gemütlicher nehmen. Werner Schwab ist seit drei Jahren faktisch pensioniert, zudem sind er und seine Frau seit vier Jahren Grosseltern. Der fragende Blick bringt ihn nicht aus der Ruhe. «Solange es mir körperlich gut geht, arbeite ich.» Ihm sei die Kundschaft ans Herz gewachsen. «Da kann ich nicht einfach den Bettel hinwerfen.» Zusammen mit seiner Frau und den langjährigen Mitarbeitenden hat er einen schönen Betrieb aufgebaut. Zuvor war er Filialleiter von Adam-Touring in Biel; 1991 übernahm er einen Garagenbetrieb an der Bettlachstrasse in Grenchen, oberhalb des heutigen Lidl-Standorts in Grenchen. 2013 verlegte Werner Schwab seinen Betrieb an die Lebernstrasse in Bettlach. Viele treue Kunden zogen mit.

Die Nachfolge ist geregelt

Der Betrieb hat sich prächtig entwickelt und hat noch immer Potenzial. Gibt es einen Nachfolger? Gibt es. Sein langjähriger Mitarbeiter Dominik Zürcher – er zog vor 13 Jahren mit ihm an die Lebernstrasse – hat bereits 40 Prozent der Anteile der AG übernommen. Er wird dereinst die Firma weiterführen, die auf ­gesunden Füssen steht und personell schlank aufgestellt ist. Wenn es in der «Hochsaison» hin und her geht wie in einem Taubenschlag, sind zusätzlich temporäre Aushilfen am Werk. Werner Schwab überlässt nichts dem Zufall und engagiert langjährige gelernte Mecha­niker. Dass sie aus diesem Handwerk kommen, ist für ihn Bedingung. Bei Höchstbetrieb wird sechs Tage die Woche gearbeitet. Da kann es auch mal 3 Uhr morgens werden, bis die Lichter in der Werkstatt an der Lebernstrasse ausgehen.

Warum bietet Werner Schwab nicht auch Serviceleistungen an, um in ruhigeren Zeiten besser ausgelastet zu sein? «Noch am alten Standort haben wir das gemacht. Beides zusammen passt für einen kleinen Betrieb nicht.» Aber er vermittelt Servicearbeiten an Partnerwerkstätten, die wiederum Reifen von ihm beziehen. Ob Winter oder Sommer, ein Pneuwechsel kann immer anstehen. Grösste Kundin ist die Post in Biel mit 110 Lieferwagen und zusätzlichen E-Motorrädern für die Postzustellung. Bei diesen Fahrzeugen müssen die Reifen durchschnittlich drei- bis viermal pro Jahr gewechselt werden.

Seine Frau Marinette eilt immer wieder ans Telefon und notiert die Terminwünsche für einen Pneuwechsel. An Kunden mangelt es dem Bettlacher Pneucenter nicht. «Wir sind jetzt 13 Jahre an diesem Standort, und der Betrieb wächst noch immer. Wahrscheinlich machen wir nicht alles falsch», feixt er. Ziemlich sicher macht der Kleinbetrieb eben alles gut.